Kaffee ist schwarz

Kaffee ist schwarz. Nicht mit Milch, dann ist er braun. Oder fast weiß, kommt drauf an, wer ihn trinkt. Ich trinke relativ viel Kaffee. Ich habe keine andere Droge, die ich favorisiere. Faszinierend ist, dass der Kaffee sich dem Geschmack total anpassen und man ihn je nach Lust und Laune heraus verändern kann.

Bei Schokolade geht das auch. Für alle, die keinen Kaffee mögen, denkt mal über Schokolade nach. Beides macht glücklich und hat fast dieselben Eigenschaften.

 

Die Variation und Vielseitigkeit ist es, die beides so beliebt macht. Ich könnte jetzt irgendwelche erheblichen und unerheblichen Studien zitieren, in denen vielleicht festgestellt wurde, dass sogar Labormäuse beides total stark finden, aber ich lasse das mal. Ich vertraue da auf meinen Verstand und meine Erfahrungen und unterstelle meinen Lesern ebenfalls beides. Ihr wisst bestimmt schon, dass Kaffee schmeckt. Und Schokolade.

Deshalb muss ich meine erste Prämisse noch einmal ändern, Kaffee ist nicht schwarz. Wenn man genau darüber nachdenkt, dann ist er eigentlich bunt. Indem ich meinen Blickwinkel verschiebe, verändert sich meine Wahrnehmung und ich sehe die Dinge anders.

Der Kaffee ist eine Metapher, das haben sich einige bestimmt schon gedacht. Ich will eigentlich über den Tassenrand schauen. Das tue ich nicht oft. Der Blick auf die Welt tut mir in letzter Zeit sehr weh und ich bin kein politischer Mensch- ich analysiere das ungern und ich diskutiere nicht darüber. Eigentlich.

 

Aber ich habe eine Entdeckung gemacht und die ist vielleicht doch nicht unerheblich. Manche Erfahrungen sind es wert, geteilt zu werden, egal ob im Kaffeehaus oder in den Social Media. Ich habe meine Angst entdeckt. Und es geschafft, sie wegzusperren, in einen verstaubten alten Winkel meines Kleinhirns, da wo sie hingehört. Na gut, vielleicht ist es auch das Stammhirn, nagelt mich nicht fest. Sie ist weg. Und jetzt wo sie weg ist, habe ich mehr Mut andere Blickwinkel einzunehmen. Ich bin offener.

Ich rede gerade nicht unbedingt von den Flüchtlingen, ich rede von den meisten Menschen in meiner Umgebung. Ich nehme jetzt an Events teil, gehe aus, treffe andere Leute und es ist mir möglich, sie genauer kennenzulernen. Nicht einmal vorurteilsfrei, um Himmels willen, so einfach geht das nicht. Nein, ich habe nur einen anderen Blickwinkel eingenommen und mein Interesse ist geweckt. Ich fange an zu grüßen, mich vorzustellen, Fragen zu stellen und Konversation zu machen. Ich studiere sie. Noch ist das alles völlig faszinierend, ich bin total neugierig. So ganz ohne meine Ängste habe ich es geschafft, mich auf den Gegenüber einzulassen.

 

Und meine große Erkenntnis, rein deskriptiv und damit meine ich nicht vorschreibend, sondern bloß eine Beobachtung von mir: Das Leben ist viel schöner so. Ich habe nicht mehr Freunde. Pffft. Denkt das nicht, ich bleibe eremitär. Ich bin auch nicht plötzlich zum Humanisten und Möchtegern-VIP geworden. Ich muss nicht in einer Clique von Partylöwen um die Häuser ziehen. Oder ehrenamtlich Suppe an die Armen verteilen. Meine Distanz zu den meisten Menschen hat das nicht beeinträchtigt. Aber meine Einstellung.  

Ich könnte es Toleranz nennen. Es bedeutet, dass ich den Menschen begegnen kann, und ich meine eine richtige Begegnung. Ich lerne sie erst einmal kennen, bevor ich entscheide, ob ich Kontakt möchte oder nicht. Und wie weit ich sie in mein Leben lasse. Ich ziehe meine Grenzen mit Hilfe meiner neuen Perspektive und das Resultat ist wunderbar: ich bin in meinen Entscheidungen viel klarer. Ich muss nicht viel drum herumreden. Es fällt mir so viel leichter, Stellung zu beziehen. Mich zu behaupten. Und das macht glücklich. Es ist ausgleichend, wenn man merkt, dass man selbst so viel Einfluss hat.

 

Vielleicht löst es nicht die prekäre politische Situation, in der sich die Welt befindet und die vielen Dilemmata und Dramen. Es ist bestimmt auch keine weltbewegende Erkenntnis. Aber vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen zu mehr Zufriedenheit. Vielleicht braucht es nur einen kleinen Stupser, vielleicht muss einfach mal jemand sagen: Kaffee ist ja eigentlich gar nicht schwarz. 

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