Mit Franz auf Tour

Nun ist auch das letzte Stück Umzugsgut übergesiedelt: Meine Topfpflanze. Die einzige Pflanze, die es bei mir auszuhalten scheint. Ich muss ein Geständnis machen... ich bin eine Blumenmörderin. 

Es gibt viele Leute, die behaupten, dass es netter sei, Pflanzen im Topf zu verschenken als in der Vase. Diese leben dann ja weiter und welken nicht dahin. Falsch, jedenfalls bei mir. Ich muss eine Pflanze nur angucken, schon verliert sie die Blätter. Für mich sind Schnittblumen das einzig wahre- die hab ich nicht selbst auf dem Gewissen. Und mancher Strauss hält bei mir länger, als wenn er noch Wurzeln hätte. 

Ich habe es immer wieder versucht, mit Samentütchen, Ablegern, Topfpflanzen, Feldblumen und Gartengrün. Inzwischen habe ich mehrere Orchideen, zwei Grünlilien, einen Hibiskus, drei kleine Rosen, einen Lavendel, einen Granatapfel und etliches schickes Grünzeug auf dem Gewissen. Trotz bester Pflege, sogar mit App und einer ausgewogenen Abstimmung von Standort, Luft und Licht. Auch Vernachlässigung brachte nichts. Ich habe wohl einen Anti-Grünen Daumen. 

Nur Franz. Der bleibt. Als einzige verlässliche Konstante in meinem Leben grünt und wächst Franz wie das sprichwörtliche Unkraut. Dreimal musste er schon umgetopft werden und auch eine Teilung hat er überlebt. Jetzt steht er also hier in meiner neuen Wohnung und für uns beide beginnt ein neuer Abschnitt. 

Franz bekam ich mit 12. Das ist lange her. Ja wirklich, sogar sehr lange. Ich sollte ihn über die Sommerferien in Pflege nehmen und als das neue Schuljahr anbrach, wechselten der Lehrer und die Gewohnheiten und Franz blieb übrig. Seinen Namen hatte er da schon. Zum Glück teilte er nicht das Schicksal des Klassenmaskottchens B. B war nämlich eines Tages verschwunden und bis heute weiß keiner, wohin. Vermutlich fragen sich auch viele, wo Franz ist. Oder auch nicht, denn Franz blieb ja wie gesagt übrig. Und vielleicht bin ich auch die Einzige, die nicht mehr weiß, was aus B wurde. Ich glaube, die Parallelklasse hat es damals entführt. Jetzt leidet es vermutlich am Stockholm-Syndrom und will gar nicht mehr zurück. 

Franz kam also mit zu mir. Er zog mit mir um, als ich mit meinem festen Freund zusammenzog, er überlebte die Trennung und auch, als er während meines Urlaubs von wohlmeinenden Nachbarn trotz Seramis bis zum Hals mit Wasser vollgegossen wurde. Da hatte ich ihn schon einmal umgetopft und auf seinem Keramiktopf stand in Windowcolor sein Name. Wir zogen ein weiteres Mal um, diesmal ins Ausland. Sogar aus Europa fort.

Zehn Jahre später und sehr viel Tongranulat weniger hatte sich Franz auf meiner Arbeitsstätte in der Schweiz eingelebt und wuchs im trockenen Büroklima so gut, dass er sogar geteilt werden musste. Aus Platzmangel konnte er nicht mehr in meinem Zimmerchen unterkommen, aber mein Chef war nett und stellte ihn unter. Franz II hat übrigens eine gute  Kollegin bekommen, als sie ein Baby bekam und in Mutterschutz ging.

Jetzt bin ich also erneut umgezogen und in meinem neuen Wohnzimmer ist sogar Platz für Franz. Auch wenn er jetzt nicht mehr 10 cm sondern 1m groß ist. Ich nahm ihn also heute von der Arbeit nach langer Zeit wieder mit nach Hause. Leider passte er nicht in den Kleinwagen, ohne ihn zu kippen oder ihm die Blätter oben zu kappen. Also musste ich mir einen Kombi leihen. Autobahn ging auch nicht, Franz verdeckte die Sicht durch den Rückspiegel. Vorsichtig fuhr ich los, es gab viel Gehupe. Man kann eben nur mit 30 durch den Kreisel, wenn der Beifahrer sich nicht anschnallen kann und auch noch im Kofferraum sitzen muss. Nach dem zweiten Kreisel merkte ich: Franz rutscht. Und wir mussten den Berg rauf und wieder runter. Bei jeder Haarnadelkurve geriet er ins Schleudern. Irgendwann hörte ich auf, ihm zu sagen, dass er sich festhalten soll und beschränkte mich auf Mut machende motivierende Äußerungen: "Wir sind gleich da, nur noch durch diesen Ort. Der hat nicht mal einen Kreisel! Und noch den Berg hinunter, das schaffen wir locker!"  

Franz hat es geschafft. Er steht jetzt in meinem Wohnzimmer. Diesmal hab ich Weder einen besonderen Platz für ihn ausgesucht noch Licht, Luft, Durchzug und Feuchtigkeit geprüft. Franz steht da, weil er sonst nirgendwo Platz hat. Ich hab auch keine App. Ich glaube, für solche Kindereien ist Franz allmählich zu alt. 

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